Der Innenraum der St. Gertrud-Kirche wurde 2012 umfassend saniert.
Schon vor der Renovierung des Innenraums haben wir versucht, durch spezielle Beleuchtung die Stimmung und das Thema von besonderen Gottesdiensten aufzunehmen.
Hier sieht man die Beleuchtung an einem letzten Sonntag des Kirchenjahres, dem sogenannten Toten- oder Ewigkeitssonntag. Der Lichterkranz vor dem Altarraum wirkt wie geschlossen, dabei besteht er aus lauter einzelnen Lichtern, die wir für die Verstorbenen des vergangenen Kirchenjahres aus unserer Kirchengemeinde entzündet haben.
Zitat aus der Festschrift 1910:
3. Die bunten Glasfenster
Im Innern der Kirche werden neben der Altar- und Kanzelwand, als dem Hauptstück des ganzen Raums, zweifellos die bunten Glasfenster am meisten und unwillkürlich das Auge des Beschauers auf sich lenken. Abgesehen von dem Rundfenster in der Ostwand des Gotteshauses, welches in seiner ganzen Ausdehnung mit figürlichem Schmuck versehen worden ist, ist die Anordnung bei den bunten Fenstern so getroffen, dass nur einige Scheiben der Fenster mit figürlichen Darstellungen geschmückt, dass dagegen die anderen Scheiben mit farbigem, aber lichtdurchlässigem Glase verglast sind; bunte Lichtreflexe auf Pfeilern, Gestühl und Wänden paaren sich so mit Helligkeit im Innern des Kirchraums. Am Rande sind sämtliche Fenster mit Ornamenten umrahmt. Die lichtgrüne Farbe derselben hebt sich wirkungsvoll von dem etwas dunkleren Farbenton der Fensterwölbungen und Mauern ab.
Kirchenvorstehen und Gemeindemitglieder haben der Kirchengemeinde zur bunten Verglasung der Fenster die Mittel dargeboten; Entwürfe und Zeichnungen zu den Fenstern stammen von der Hand des Kunstmalers Albert Klingner in Charlottenburg.
Aus der bereits erwähnten Eingangshalle führt eine Tür in die Vorhalle der Kirche, welche an der westlichen Seite der Kirche das ganze Erdgeschoß des Turmes ausfüllt und mit einem Tonnengewölbe überdeckt ist. Die vier Fenster der Vorhalle sind im ganzen einfach gehalten, der Bedeutung des Raumes als einer Vorhalle entsprechend. Nur einzelne kleinere Scheiben sind hier mit Engelsfigürchen, sog. Putten, geschmückt. Die Engel halten Nägel, Kreuz und Dornenkrone und deuten damit den Tod des Erlösers an. gerade durch diesen einfachen Schmuck der Fenster der Vorhalle, die von der Malerei der Decke und der Wände genügend belebt wird, wirkt die Vorhalle trefflich und lässt um so mehr den Hauptinnenraum der Kirche zur Geltung kommen. Die Fenster, welche die Vorhalle von diesem Hauptraum des Gotteshauses trennen, sind selbstverständlich ohne bunten Schmuck geblieben.
Während das Rundfenster über dem Altar den Mittelpunkt neutestamentlicher Verkündigung uns vor Augen stellt, sollen die drei größeren dem Altar und der Kanzel gegenüber über der Westempore liegenden Fenster die alttestamentliche Weissagung, die Zeit der sogenannten vorbereitenden Offenbarung im israelitischen Volke, ins Gedächtnis rufen. Drei der großen Prophetengestalten Israels sind hier zur Darstellung gekommen: Elias, Jeremias und Jesaias. Elias, der Gottesheld vom Karmel und vom Horeb, den die Raben am Bache Krith gespeist haben; Jeremias, der Mann voll Seelenstärke und Mannesmut, der Prophet der Zerstörung Jerusalems; ihn umringen die Flammen der brennenden Stadt; Jesaias, der „Evangelist“ unter den Propheten, wie man ihn treffend genannt hat, der Verkündiger der kommenden Erlösung; die Lichtstrahlen um sein Bild erinnern an die Weihnachtsweissagung (Jes 9,1): „Das Volk, das im Finstern wandelt, siehet ein großes Licht“.
In den Evangelien des Neuen Testaments nehmen die Gleichnisse des Heilandes einen breiten Raum ein, die Jesus zumeist auf dem Höhepunkt seiner Wirksamkeit im iraelitischen Volk gesprochen hat. Aus diesen Gleichnissen den Stoff für weitere figürliche Darstellungen zu entnehmen, lag umso näher, als gerade die Gleichnisse die anschaulichsten Bilder und Geschichten darbieten. So sind denn in den sechs großen über den Emporen liegenden Seitenfenstern der Kirche, den Hauptlichtquellen des ganzen Kircheninnern, sechs der bekanntesten Gleichnisse zur Darstellung gebracht. Die beiden Fenster der Nordseite zeigen den Säemann (Luc. 8, 4-13) und die Weinbergsarbeiter (Mat. 20, 1-16); die vier Fenster der Südseite stellen das große Abendmahl (Luc. 14, 16-24), den verlorenen Sohn (Luc. 15, 11-32), den barmherzigen Samariter (Luc. 10, 25-37) und den armen Lazarus (Luc. 16, 19-31) dar. Sinnreich gewählte Bibelworte deuten in den Unterschriften auf den Hauptinhalt der Gleichnisse hin. So findet sich z.B. unter dem letztgenannten Bilde als Unterschrift das Wort Psalm 126, 5: „Die mit Tränen säen, werden mit Freuden ernten“.
Für die Glasbilder der Fenster unter den Emporen sind auf den Vorschlag des Kunstmalers A. Klingner 16 historische Charakterköpfe gewählt worden. Nachdem die Propheten- und die Gleichnisfenster gleichsam die alt- und die neutestamentliche Heilsgeschichte zur bildlichen Darstellung gebracht haben, kommt in diesen historischen Charakterköpfen die Kirchengeschichte zu Wort. Die Köpfe sind so gewählt, daß immer je zwei ein Paar bilden.
Wir beginnen mit der Südseite der Kirche. Hier bringen zunächst zwei Bilderpaare den Zusammenhang unserer evangelischen Kirche mit der alten christlichen Kirche zum Ausdruck.
In Petrus und Paulus tritt uns das apostolische Zeitalter der christlichen Kirche entgegen: Petrus, einer der drei vertrautesten Jünger des Heilands, der Mund der Apostel am Pfingsttage, dem Gründungstage der christlichen Kirche, der hervorragendste Bekenner des Evangeliums im israelitischen Volke, und Paulus, der große Heidenapostel, der Verfasser der meisten neutestamentlichen Briefe, der das Christentum auf den Boden Europas verpflanzt hat.
Das dritte Bild stellt einen Bekenner aus der Zeit der großen Christenverfolgungen dar, den Märtyrer Polycarp. Polycarp ist, 86 Jahre alt, als Bischof von Smyrna im Jahre 153 n. Chr. Dem Tode in den Flammen des Scheiterhaufens übergeben. Kurz vor seinem Tode zum Widerruf der christlichen Lehre aufgefordert, soll er die Worte gesprochen haben: „86 Jahre hindurch habe ich meinem Heiland treu gedient, und sollte ihn nun verleugnen?“
Eine andere, spätere Zeit der christlichen Kirchengeschichte ruft uns das vierte Bild ins Gedächtnis: die Zeit der Ausbreitung des Christentums im Norden und Osten Europas im 8. und 9. Jahrhundert n. Chr. Unter den Missionaren dieser Tage ragt Ansgar hervor, der Bekehrer des deutschen Nordens. Etwa ein Jahrhundert nach Bonifazius lebend, hat er das von diesem im Westen und Süden Deutschlands begonnene Werk der Christianisierung Deutschlands in unseren Gegenden nördlich der Elbe fortgeführt; er darf als der Apostel Schleswig-Holsteins und Dänemarks bezeichnet werden. Als Jüngling von glühender Begeisterung für seine Aufgabe erfüllt, ist er vom Kloster Corvei an der Weser aus zu seiner ersten Missionsreise ausgezogen. Als Erzbischof von Hamburg und Bremen ist er im Jahre 861 n. Chr. in Bremen gestorben.
Die beiden folgenden Bilderpaare vertreten das gerade für unsere evangelische Kirche so bedeutungsvolle Zeitalter der Reformation. Zunächst ein Bild des Vorreformators Joh. Hus (geb. 1369, seit 1398 Professor der Philosophie in Prag, 1402 Prediger an der Bethlehemkapelle daselbst), welcher wegen seiner klaren evangelischen Lehre und seines Widerspruchs gegen die herrschende Kirche während des Kostnitzer Konzils (1414-1418) am 14. Juli 1415 den Tod auf dem Scheiterhaufen erlitt. Dann der Reformator unserer Kirche Martin Luther, der religiöse Erneuerer, der Befreier Deutschlands vom Joche des Papsttums, der Begründer einer neuen Kultur, der unserem Volke mit der Bibelübersetzung das deutsche Bibelbuch in die Hand gegeben hat. Ferner seine beiden Gehilfen Philipp Melanchthon und Johannes Bugenhagen. Während Melanchthon, der feinsinnige Gelehrte, der wegen seiner rastlosen Arbeit zur Besserung der Schulen, höherer und niederer, den ehrenden Beinamen „Praeceptor Germaniae“ erhalten hat, für das ganze Gebiet der deutschen Reformation Bedeutung hat, ist Bugenhagen im besonderen der Reformator Lübecks gewesen; er hat sich vom Oktober 1530 bis zum April 1532 in Lübeck aufgehalten und hat hier die kirchlichen Verhältnisse neu geordnet; die von ihm verfasste und von ihm herausgegebene „Lübeckische Kirchenordnung“ ist Jahrhunderte hindurch die Grundlage unseres Verfassungslebens gewesen.
Wir wenden uns nunmehr den Bildern der Nordseite der Kirche zu. Sie stellen historische Charakterköpfe aus der späteren Zeit der deutschen evangelischen Kirchengeschichte dar. In der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts ist der Schwedenkönig Gustav Adolf, der politische Vorkämpfer und Erretter des Protestantismus während der Zeit des 30 jährigen Krieges, besonders hervorgetreten. Er fiel 37 Jahre alt, auf dem Schlachtfelde von Lützen 1632. Nach ihm benennt sich der evangelische Verein der Gustav-Adolf-Stiftung, welcher, schon vor fast 80 Jahren gegründet und in größtem Segen wirkend, die Unterstützung evangelischer Gemeinden in der Diaspora auf seine Fahne geschrieben hat.